Maritimes Wir-Gefühl und Zukunft mit Tiefgang

Verkehrswissenschaftler aus MV auf der Baustelle des Jade-Weser-Ports

Rostock Zukunft mit Tiefgang erlebten Vertreter der Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft MV, die kürzlich eine Exkursion von Rostock nach Wilhelmshaven zu der gegenwärtig größten deutschen Wasserbaustelle führte. Hier entsteht mit dem Jade-Weser-Port  als Gemeinschaftsprojekt der Länder Niedersachsen und Bremen ein Tiefwasserhafen, der das Leistungsangebot der deutschen Seewirtschaft nachhaltig stärken wird. Etwa 360 Hektar, was der Größe von 500 Fußballfeldern entspricht, umfasst die künftige Hafenfläche, die ins Fahrwasser der Jade hinein gebaut wurde. Im Frühjahr 2008 begannen die Arbeiten, im August 2012 soll der erste Abschnitt in Betrieb gehen und  die ersten Containerschiffsriesen an der zunächst 1000 Meter langen Kaje abgefertigt werden, die ein Jahr später noch um weitere 725 Meter wachsen soll.

Axel Kluth, Geschäftsführer der Realisierungsgesellschaft, der die Mecklenburger persönlich über die Baustelle  führt, nennt imposante Zahlen. 46 Millionen Kubikmeter Sand waren in das von Dämmen umfasste Areal aufzuspülen und zu befestigen, Gründungspfähle, Anker und Trägerbohlen für die Kais zu rammen, 80 000 Kubikmeter Beton, 80 000 Tonnen Stahl und eine Million Steine zu verbauen. Noch sind die Arbeiten in vollem Gange. Berge aus Splitt und Sanddünen türmen sich auf. Bis auf zwei kleine Stellen wurde das Wasser inzwischen zurückgedrängt. Teilflächen sind bereits asphaltiert. Autobahn- und Gleisanschlüsse entstehen und auch ein Umspannwerk ist gewachsen, das den immensen Strombedarf beispielsweise für die Abfertigung von Kühlcontainern sichern wird. An der Kaje sind die ersten Fender eingebaut, weitere liegen zur Montage bereit. Hinterlassenschaften des Zweiten Weltkrieges erschwerten die Arbeiten, wie Axel Kluth berichtet. Über 700 Munitionsteile, darunter drei Fliegerbomben, hatte der Bergungsdienst zu sichern.

650 Millionen Euro werden in die Infrastruktur investiert, weitere 300 Millionen in die Suprastruktur. Nach Fertigstellung können hier an vier Liegeplätzen mit 16 Containerbrücken Schiffe bis zu 430 Meter Länge und Tiefgängen bis 16,50 Meter nach nur relativ kurzer Revierfahrt abgefertigt werden. Der Jade-Weser-Port wird kein vollautomatisierter Geisterhafen. Etwa 1000 Leute, so Kluth, werden hier Beschäftigung finden. Neben dem 130 Hektar großen Areal des Terminals entsteht eine 160 Hektar große Logistikfläche, wofür gegenwärtig die Gespräche mit potenziellen Ansiedlern geführt werden. Mit Nordfrost hat sich der erste selbst geoutet.

Ein Jahresumschlag von 2,6 bis 2,7 Millionen Standardcontainern wird angesteuert. Terminalbetreiber Eurogate und Reedereien wie Maersk, die beide am neuen Hafen in der europäischen Nordrange zwischen Antwerpen und Ust-Luga maßgeblich beteiligt sind, dürften für das notwendige Ladungsaufkommen sorgen. Der JadeWeserPort zieht weiter Großinvestitionen nach sich. So wird die Niedersachsenbrücke ertüchtigt, wo der Kohleumschlag von gegenwärtig 2,2 Millionen künftig auf acht Millionen Tonnen wachsen soll. Das bestehende Kraftwerk der E.ON Ruhrgas und das neue, im Bau befindliche Kraftwerk der GDF Suez werden einen Großteil der Kohle abnehmen.

Die Wilhelmshavener Hafenwirtschafts-Vereinigung hat weltweit für ihren neuen Hafen die Werbetrommel gerührt. 260 Mitglieder, vorwiegend Unternehmen, gehören der Vereinigung an, die gerade ihr 25-jähriges Jubiläum beging, wie Günter Reiche von der Crew der Vereinigung berichtete. Etliche Mittelständler sind vertreten. Selbst ein Optiker hat weitsichtig die wichtige Rolle der Hafenwirtschaft für die Region erkannt. Dieses maritime Wir-Gefühl sei beispielhaft auch für unsere heimischen Häfen, merkt Prof. Karl-Heinz Breitzmann spontan an.

Wilhelmshaven wird traditionell durch die Marine, der Handelshafen seit 1958 aber vor allem durch den Flüssiggutumschlag der Nord-West-Ölleitung GmbH geprägt. Darüber informierte NWO-Hafenbetriebsleiter Günter Ramstein und beeindruckte die Mecklenburger mit der Vorstellung der Anlagen des Ölhafens, wo vier Löschköpfe im vorigen Jahr über 24 Millionen Rohöl aus den riesigen Tankern pumpten und vom Tanklager über eine Pipeline auf den Weg in die Raffinierie bis nach Köln brachten. Wie das funktioniert, wie alles gesichert ist und was die Schäferei im Areal für Aufgaben hat, darüber konnten sich die Teilnehmer der Exkursion beim Blick hinter die Kulissen selbst ein Bild machen. Interessant  auch, dass hier im Umfeld auch große Kavernenanlagen in Salzstöcken eingerichtet wurden, wo ein Teil der strategischen Rohölreserven des Bundes eingelagert werden. Die Mecklenburger nahmen so viele interessante Eindrücke und auch Anregungen aus Wilhelmshaven mit  nach Hause.

Reiner Frank